„Der 3. Juli 2024 war ein schwarzer Tag für die Demokratie in Nordrhein-Westfalen.“ Mit diesen Worten kommentiert Johannes Hofnagel den Beschluss des Landtages, mit dem das Kommunalwahlrecht geändert wurde. Der Vorsitzende der Wählergemeinschaft „Gemeinsam Für Lünen“ (GFL): „Das neue Gesetz bringt CDU, SPD und Grünen bei den nächsten Wahlen Vorteile, kleinere Parteien und Wählergemeinschaften werden deutlich benachteiligt.“
Kern der Kritik: Das neue Kommunalwahlrecht berechnet Wählerstimmen neu. Bisher galt das mathematische Verfahren nach dem französischen Mathematiker Sainte-Lague. Dabei handelt es sich laut GFL um ein gängiges Verfahren, das bereits seit 1980 für die Sitzverteilung in den Ausschüssen und Gremien des Deutschen Bundestages eingesetzt wird – aber auch bei der Europawahl und in einigen Bundesländern. Das Verfahren zielte bisher darauf ab, Benachteiligung kleinerer politischer Gruppen zu vermeiden. Konkret: Wer rechnerisch nur Anspruch auf einen halben Sitz hatte, profitierte regelmäßig von einer Aufrundung auf einen ganzen Sitz. Nunmehr soll ein Quotenverfahren mit prozentualem Restausgleich gelten.
Was technisch klinge, habe aber erhebliche Auswirkungen, so die GFL: Die Anzahl der unwirksamen Wählerstimmen werde deutlich erhöht. Tausende Wählerstimmen würden landesweit durch dieses Modell wirkungslos. „Ganz zum Vorteil von CDU, SPD und Grünen, die bei der Kommunalwahl im nächsten Jahr mit deutlich mehr Sitzen in den Kommunalparlamenten rechnen dürfen.“ Kleinere wie die FDP, die Linke und insbesondere Wählergemeinschaften hätten das Nachsehen. „Die mathematische Begründung von CDU, SPD und Grünen für ihre Gesetzesänderung ist vorgeschoben“, so Hofnagel. Das Wahlrecht müsse über alle politischen Lager sowie in der Wählerschaft über jeden Zweifel erhaben sein.
Hofnagel kritisiert die aktuelle Gesetzesänderung zudem als „völlig unpassend in einer Zeit, in der unser demokratisches System unter Druck steht“. Die Änderung durch die größeren etablierten Parteien diene dazu, ihre Machtbereiche abzusichern. „Deshalb passt das neue Gesetz nicht in die Zeit. Auch zeigt es keinen Respekt vor all jenen engagierten Menschen, die die ehrenamtlich in die Kommunalpolitik gehen wollen, um vor Ort Verbesserungen zu erreichen.“ Darunter seien auch viele Bürger, die sich keiner politischen Partei anschließen wollen, sondern lieber einer freien Wählergemeinschaft.
„Inzwischen kündigte die FDP im NRW-Landtag an, Klage gegen die Gesetzesänderung einreichen zu wollen. Das begrüßen wir“, so Hofnagel. „Denn in der Vergangenheit waren schon mehrfach Versuche vor dem NRW-Verfassungsgerichtshof gescheitert, den Einzug von kleineren Parteien und Gruppen in Kommunalparlamente zu hindern – etwa die Fünf-Prozent- und die 2,5-Prozent-Hürde.“
Hofnagel macht auf einen weiteren demokratischen Einschnitt aufmerksam. Danach planen CDU, SPD und Grüne, die Mindestgröße für Fraktionen zu verändern. Das würde die politische Arbeit von Kleinparteien und Wählergemeinschaft zudem deutlich erschweren.
In Räten mit mehr als 50 Ratsmitgliedern solle eine Ratsfraktion in Zukunft aus mindestens drei Mitgliedern, bei mehr als 74 Ratsmitgliedern aus mindestens vier Mitgliedern, bei mehr als 90 Ratsmitgliedern aus mindestens fünf Mitgliedern bestehen – bei Kreistagen mit mehr als 50 Kreistagsmitgliedern aus mindestens drei Mitgliedern und bei mehr als 74 Kreistagsmitgliedern aus mindestens vier Mitgliedern.
Nach Berechnungen der FDP-Fraktion im NRW-Landtag verlören landesweit 157 Gruppierungen ihren Fraktionsstatus (46 würden zu Gruppen, 111 zu Einzelmandatsträgern) und 64 bisherige Einzelmandatsträger kämen nicht mehr in den Rat. Von diesen 221 Schlechterstellungen entfielen laut FDP nur zwei auf die Parteien CDU, SPD und Grünen.
„Diese Zahlen sprechen für sich – und für einen schlechten Umgang unter Demokraten“, so Hofnagel. Außerdem seien die Vorhaben die falschen Antworten auf veränderte, differenzierte Wahlentscheidungen von Bürgerinnen und Bürgern.